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Wie arbeitet eigentlich ein klassischer Homöopath?


Ulrike Schlüter - Heilpraktikerin

Inhaltliche Betreuung
Ulrike Schlüter - Heilpraktikerin


Wie arbeitet eigentlich ein klassischer Homöopathe?

Klassische Homöopathie ist eine Behandlungsmethode, die aufgrund des Ähnlichkeitsgesetzes bei Erkrankungen für jeden Menschen individuell ein Mittel auswählt, welches genau zu seinem körperlichen, geistigen und seelischen Befinden passt.

Klassische Homöopathie aus Sicht der Therapeuten

Die Homöopathie als Therapiemethode in der Praxis ist sehr aufwendig. Die Erfassung der Krankengeschichte (Anamnese) dauert – je nach Fall – eine bis drei Stunden. An die Anamnese schließen sich an: Fallanalyse, Repertorisation und Materia medica-Abgleich. Erst dann kann der klassische Homöopath das ähnlichste Mittel (Simile), die Potenz und die Dosierung auswählen.

Die Verlaufsbeurteilung eines Falles erfordert viel Aufmerksamkeit. Entscheidend für die weitere Behandlung sind nicht nur Verbesserungen oder Verschlechterungen der Symptome, sondern auch Veränderungen auf der geistigen oder seelischen Ebene. Ein positives Zeichen für ein korrekt gewähltes Mittel ist zum Beispiel die Aussage des Patienten „Ich bin zwar immer noch krank, aber ich schlafe besser und fühle mich insgesamt wohler“.

Klassische Homöopathie aus Sicht der Patienten

Für Patienten, die zum ersten Mal in die Praxis eines Homöopathen kommen, wirkt die Homöopathie vielleicht erst einmal etwas befremdlich.

Zunächst soll der Patient ausführlich seine Krankengeschichte erzählen. Viele Patienten berichten über das gute Gefühl, dass ihnen endlich jemand in Ruhe zuhört. Nach dem Bericht des Patienten fragt der Homöopath nochmals sehr ausführlich nach, um ein möglichst genaues Bild zu bekommen. Dabei kommen auch noch Aspekte zur Sprache, die Patienten im ersten Moment nicht mit ihrer aktuellen Erkrankung in Zusammenhang bringen. So werden Fragen zur Psyche, zur Familie und zur geistigen Verfassung gestellt.

Nicht immer bekommt der Patient nach dieser sorgfältigen und umfangreichen Krankenerhebung  direkt ein homöopathisches Mittel verschrieben. Das kann auf Patienten ernüchternd wirken, schließlich haben sie auf schnelle Hilfe gehofft. Auf einige Patienten wirkt diese Zeitverzögerung unerfahren und sie verlieren das Vertrauen in den Therapeuten. Es ist jedoch mitnichten so, dass der Therapeut noch nicht genügend Erfahrung gesammelt hat, wenn er in Ruhe das ähnlichste Mittel aussucht. Im Gegenteil – es zeugt von besonderer Zuverlässigkeit, dass nicht vorschnell ein vielleicht nicht ganz ähnliches Mittel verschrieben wird, sondern wirklich das ähnlichste Mittel (Simile) gesucht wird.

1. Die Anamnese in der klassischen Homöopathie

Bei neuen Patienten dient der erste Termin (Erstanamnese) dazu, möglichst viele Informationen über das Krankheitsgeschehen zu bekommen. Folgende Bereiche werden abgefragt:

  • Die aktuellen Beschwerden mit möglichst genauer Beschreibung (Gibt es einen Auslöser? Wie ist der zeitliche Ablauf? Wie fühlen sich die Beschwerden an? Gibt es körperliche Veränderungen? Wann und wodurch bessern oder verschlimmern sich die Beschwerden? usw.)
  • Alle bisherigen Erkrankungen im Leben des Patienten
  • Alle bisher durchgeführten medizinischen Maßnahmen (Untersuchungen, Arzneimittel, Operationen, Impfungen, Psychotherapie, Ernährungsumstellung etc.)
  • Möglichst ausführliche Informationen über Erkrankungen innerhalb der Familie, wenn möglich sogar über mehrere Generationen
  • Die aktuellen Lebensumstände: Familie, Beruf, Schule, Hobbys usw.
  • Die seelische bzw. psychische Situation des Patienten (Ängste, Belastungen, Konflikte, Zwänge, Depressionen usw.)
  • Möglichst detaillierte Angaben zu Ernährung, Schlafgewohnheiten, Nahrungsmittelunverträglichkeiten, Sport, Wettereinflüsse, Empfindlichkeit auf Hitze und Kälte, usw.
  • Äußerlich wahrnehmbare Veränderungen (Muttermale, Warzen, Hautveränderungen, Gewicht, Schweiß usw.)

Fragebögen zur homöopathischen Anamnese

Eine Hilfe sowohl für den Therapeuten wie auch für den Patienten können Fragebögen sein, die vor dem ersten Termin ausgefüllt werden. Es gibt verschiedene Anamnesebögen von erfahrenen Homöopathen. Oft erstellt sich jedoch ein Homöopath seinen eigenen Anamnesebogen, mit dem er gut arbeiten kann.

Vorteile:

  • Die Patienten können Informationen, die ihnen nicht spontan einfallen, in Ruhe bei Ärzten oder Familienmitgliedern in Erfahrung bringen und alle eingenommenen Arzneimittel zuhause notieren.
  • Der Therapeut bekommt vorab schon Informationen über den Patienten und kann sich schon Gedanken über mögliche Mittel machen.

Nachteile:

  • Möglicherweise antworten die Patienten nicht mehr spontan. Manches Unangenehme, zum Beispiel zu Verdauungsbeschwerden, wird etwa verschwiegen.
  • Wenn der Therapeut sich nur auf den Fragebogen verlässt und diesen nicht mehr ausführlich mit dem Patienten bespricht, entgehen dem Homöopathen vielleicht wichtige Informationen.

2. Klassifizierung der Symptome

Nach der Anamnese hat der Homöopath eine Vielzahl an Informationen zu Symptomen und zur Krankengeschichte. Diese müssen nun übersichtlich geordnet und nach Wichtigkeit sortiert werden (Hierarchisierung).

Einteilung der Symptome in:

  • Lokalsymptome (treten nur an einem bestimmten Organ oder Körperteil auf)
  • Allgemeinsymptome (betreffen den gesamten Körper)
  • Psychische Symptome (Charakter, seelische und geistige Zustände)
  • Auslöser
  • Auffallende und charakteristische Symptome (Auffallend ist das, was am Patienten oder seiner Erkrankung von der Norm abweicht oder untypisch ist. Zum Beispiel: Symptome treten nur auf der rechten Körperseite auf oder Abmagerung trotz Heißhunger usw.)
  • Krankhafte Veränderungen (z. B. geschwollene Mandeln bei Mandelentzündung, Vergrößerung des Herzens bei Herzschwäche)

Anschließend werden die Symptome aus der Anamnese nach Wichtigkeit geordnet:

  • Auffallende, charakteristische Symptome
  • Psychische Symptome
  • Allgemeinsymptome
  • Lokalsymptome

3. Repertorisation

Hat man dann die wichtigsten Symptome gefunden und nach Wichtigkeit sortiert, muss repertorisiert werden. Dazu braucht der klassische Homöopath ein Repertorium. Dies kann in Buchform oder auch als Software vorliegen.

In einem Repertorium sind viele verschiedene Krankheitssymptome aufgelistet und die aus den Arzneimittelprüfungen dazu passenden Mittel.

Um die Symptome des Patienten in dem Repertorium zu finden, muss man den Aufbau des Repertoriums und die ganz eigene Sprache (Formulierungen der Symptome) gut kennen.

Der Homöopath sucht das Mittel heraus, welches die größte Ähnlichkeit zu den Symptomen des Patienten aufweist.

Alleine die Repertorisation kann eine Stunde und mehr dauern.

Meist findet man anhand der Repertorisation mehrere Mittel, die infrage kommen können. Diese Mittel werden dann in einem letzten Schritt mit den Beschreibungen der Arzneimittel in der Materia medica abgeglichen, um das ähnlichste Mittel (Simile) zu finden.

4. Materia medica Abgleich (Arzneimittel-Differentialdiagnose)

Eine Materia medica ist eine Auflistung aller jemals in Arzneiprüfungen beobachteten Symptome eines Arzneimittels. Es gibt sogenannte kleine Mittel, bei denen nur wenige Symptome bekannt sind und sogenannte große Mittel (Polychreste), bei denen mehrere Tausend Symptome bekannt sind.

Die in der Repertorisation gefundenen ähnlichen Mittel werden nun in einer oder auch in mehreren Materia medicae abgeglichen und das Mittel ausgewählt, welches am ähnlichsten ist (Simile).

Mit zunehmender, praktischer Erfahrung des klassischen Homöopathen benötigt diese Arzneimittel-Differentialdiagnose weniger Zeit, kann aber immer noch eine bis mehrere Stunden dauern.

Dauert die Mittelauswahl lange, ist dies kein Zeichen für einen schlecht ausgebildeten oder unerfahrenen klassischen Homöopathen, sondern im Gegenteil ein Anzeichen dafür, dass der Homöopath besonders sorgfältig arbeitet. Selbst erfahrene Homöopathen lesen nach 20-30 Jahren intensiven Studiums noch nach.

Ist das ähnlichste Mittel gefunden, wird noch die Anwendungsweise – meistens Globuli oder Tropfen – sowie die Potenz und die Dosierung festgelegt.

5. Follow-up

Weitere Termine nach der Erstanamnese werden Folgetermin, Folgeanamnese oder Follow-up genannt. Meist sind Folgetermine kürzer als der erste Termin beim Homöopathen.

In der Folgeanamnese wird der Verlauf der homöopathischen Behandlung erfragt.

  • Ist es zu Veränderungen nach der Mitteleinnahme gekommen?
  • Haben sich die ursprünglichen Beschwerden verbessert oder verschlechtert?
  • Sind neue Symptome aufgetreten?
  • Wie sind Schlaf und Stimmung?

Die Ergebnisse der Folgeanamnese sind Hinweise für den klassischen Homöopathen, ob das verordnete Mittel, die Potenz und die Dosierung richtig gewählt sind.

Regelmäßige Einnahme von allopathischen Medikamenten oder Drogen sowie der Einfluss von ätherischen Ölen oder Kaffee kann die Wirkung eines homöopathischen Arzneimittels beeinträchtigen. Ein Heilungshindernis im Laufe der homöopathischen Behandlung herauszufinden, ist für den Homöopathen nicht immer ganz einfach.

Je nach Befinden des Patienten wird das Mittel wie verordnet weiter eingenommen, die Potenz und die Dosierung angepasst, das Mittel gewechselt oder erst mal weiter abgewartet.

Die Frage zu den Kosten für eine homöopathische Behandlung

Da die meisten Patienten die Kosten für die homöopathische Behandlung teilweise oder komplett selbst zahlen müssen, ist die Frage nach den Kosten oft die erste Frage, die dem Homöopathen gestellt wird. In den meisten Fällen wird die Kostenfrage noch vor der Terminvereinbarung gestellt.

Kein Wunder – Preise für die Erstanamnese von über 100 bis über 200 € kann nicht jeder Patient einfach mal so zahlen.

Ob die private, die gesetzliche oder die private Zusatzversicherung einen Teil der Kosten oder den kompletten Betrag erstatten, müssen die Patienten jedoch mit ihrer Versicherung klären.

Der Homöopath ist da nicht der richtige Ansprechpartner. Was vielen Patienten nicht bewusst ist: Der Homöopath rechnet nicht direkt mit der Krankenversicherung ab, wie das viele von der gesetzlichen Krankenversicherung her kennen. Der Homöopath – Heilpraktiker oder Arzt – gehen einen Behandlungsvertrag mit dem Patienten ein. Der Patient muss die vollen Behandlungskosten an den Therapeuten zahlen und kann anschließend die Rechnung bei seiner Versicherung einreichen.

Bei Problemen mit der Versicherung – z. B. wenn einige Posten gestrichen oder nur teilweise erstattet werden – ist der Homöopath wiederum nicht der richtige Ansprechpartner. Er kann nicht für den Patienten Widerspruch bei der Versicherung einlegen, dies muss der Patient selbst tun.

Die Frage nach der Empfehlung einer guten privaten Zusatzversicherung wird Homöopathen oft gestellt. Aufgrund der Vielzahl der unterschiedlichen Leistungen einzelner Anbieter ist eine Empfehlung da meist nicht möglich. Auch machen viele Therapeuten die Erfahrung, dass eine Kostenübernahme nicht nur von der jeweiligen Versicherung, sondern auch vom individuellen Sachbearbeiter abhängt.

 

Autorin: Heilpraktikerin Ulrike Schlüter

Quellen:

  • Leitfaden Homöopathie, Jan Geißler und Thomas Quak, Urban & Fischer Verlag
  • Homöopathie für Ärzte und Apotheker, Markus Wiesenauer, Deutscher Apotheker Verlag, 2019

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